GEDENKKOPF EINER KÖNIGINMUTTER
Das Königreich Benin im heutigen Nigeria wurde zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert ein Zentrum des westafrikanischen Handels mit den Europäern. Benin exportierte unter anderem Sklaven und Elfenbein. Importiert wurden einige europäische Produkte, wie Messing, das Rohmaterial für die herausragenden Kunstwerke dieser Kultur. Mit dem Ende des Sklavenhandels und dem wachsenden Interesse an territorialen Eroberungen im Kolonialismus des späten 19. Jahrhunderts war Benin als unabhängiger Handelspartner nicht mehr von Bedeutung. 1897 eroberten und zerstörten die Engländer die Hauptstadt. Die aus dem Palst des Königsgeraubten Kunstwerke aus Bronze und Elfenbein wurden in London versteigert. Dort hat Felix von Luschan für das Berliner Museum die meisten Stücke der großen Beninsammlung erworben.
Der Gedenkkopf der Königinmutter (igoba) – erkennbar an ihrer an eine phrygische Mütze erinnernde Krone aus Korallenperlen – zeigt das Gesicht einer jungen Frau, die verhalten lächelt. Beteachtet man die aus dieser Zeit erhaltenen Bilder der igoba, so kann man – wie bei den Ifeköpfen – Unterschiede der Gesichtsform und des Typs der dargestellten igoba erkennen. Trotzdem handelt es sich wohl nicht um ein Portrait einer Person, sondern um idealisierte Bilder.
Das Amt und der Titel der Königinmutterwurden von dem König (oba) Esigie im frühen 16. Jahrhundert eingeführt. Seine Mutter ,Idia, spielte im Krieg gegen die Igola eine wichtige Rolle. In der mündlichen Überlieferung werden die Fische am Sockel des Gedenkkopfes als Hinweis darauf gedeutet, dass Idia die feindliche Igala-Armee über den Niger zurücktrieb. In diesem Sinne könnte es sich bei dem Gedenkkopf um eine Darstellung Idias , der ersten Königinmutter, handeln. Königinmütter in Benin hatten – wie in vielen afrikanischen Gesellschaften – eine herausragende politische Position. Bei den Entscheidungen des Königs holte er ihren Rat ein. Sie verfügten über ihre eigene Residenz außerhalb der Stadt Benin. Wie den Königen wurde auch ihnen ein Gedenkschrein errichtet, auf dem Gedenkköpfe aufgestellt wurden. (Peter Junge in Kunst aus Afrika, SMBDuMont 2005, S. 81)