Kategorie: Humboldt Forum

MAKISHI – MASKEN
Der folgende Text stammt aus einer Vorlage für die Direktorenkonferenz der Staatlichen Museen zu Berlin am 9. 12. 2019 und für die Mitglieder- versammlung des Vereins der Freunde des Ethnologischen Museums am 10. 10. 2019.
Verfasser ist PD Dr. Paola Ivanov, Kuratorin in der Afrika Abteilung des Ethnologischen Museums.
Neuerwerbung: Drei makishi (Masken) einschließlich fotografischer und wissenschaftlicher Dokumentation ihrer Herstellung und ihrer Auftritte.
Makishi gehören zu den wichtigsten Maskeraden in Afrika und spielen bis heute eine zentrale Rolle bei der Initiation der Knaben sowie bei traditionellen politischen Zeremonien in einem sehr ausgedehnten, ethnisch heterogenen Gebiet im Länderdreieck zwischen Angola, Sambia und der Demokratischen Republik Kongo. Die sambischen makishi wurden im Jahr 2005 als materielles UNESCO-Welterbe klassifiziert.
Das Ethnologische Museum hat seit Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 1980er hinein makishi gesammelt. Es besitzt damit eine der weltweit umfassendsten und zeitlich am weitesten zurückgehenden makishi-Sammlungen. Die Erwerbung gegenwärtiger Msken würde diese Sammeltradition fortführen und dazu beitragen zu zeigen, wie eine alte Kunstform immer neu transformiert und auch in der heutigen globalisierten Welt weitergeführt wird.
Im Rahmen der Feldforschung für seine Dissertation vereinbarte Martin Vorwerk (Doktorand, Kunstgeschichte Afrikas FU) mit den Mitgliedern einer „Maskengruppe“, die auch einen überregional bekannten sambischen makishi-Künstler einschloss, drei Masken (Kopfteil und Kostüm) herstellen zu lassen. Den Masken-Herstellern war es dabei wichtig, da es sich um Stücke für das Museum handelt, qualitativ besonders gute makishi herzustellen, deren Kostüme etwa aus traditionelle Weise aus Pflanzenfasern bestehen; dies eine heute noch selten praktizierte, äußerst aufwendige Produktionsform.
Die Masken sind auch auf traditionellen Festivals aufgetreten.
Folgende Maskencharaktere wurden erworben:
Likishi lya sachihongo: dabei handelt es sich um einen traditionellen Maskentyp, eine ethnisch spezifische Variante der von Baumann* gesammelten Chihongo-Maske.
Neue Maskencharaktere:
Likishi lya ndeke (Flugzeugmaske) eingeführt von Flüchtlingen aus Angola, erinnert an die Bombardements durch Flugzeuge während des langen angolanischen Bürgerkriegs; in Sambia vergegenständlicht die Maske heute eine „moderne“ Lebensweise.
Likishi lya kaposhi (tower) : Mobilfunk-Sendemast spricht für sich und für die Allgegenwart der Mobiltelefonie in Afrika.
Herr Vorwerk, von dem die Fotos stammen, hat alle Schritte der langwierigen Herstellung fotografisch dokumentiert und Interviews mit den Masken – Künstlern durchgeführt.
Eine Ausstellung mit historischen und neuen Masken, an deren Konzeptualisierung die Masken Künstler mitwirken, ist im Humboldt Forum geplant.
Die Freunde des Ethnologischen Museums haben die Reise von Herrn Vorwerk mit 7.000,00 € vorfinanziert, in der Hoffnung eines Tages das Geld zurück zu bekommen.
Das folgende Bild zeigt den offensichtlich toten Baum, der für die Herstellung der Masken gefällt wurde.
Fotos der Masken wurden auf der Mitgliederversammlung des Verein gezeigt. Leider stehen dem Webmaster noch keine für die Website reproduzierbaren Fotos zur Verfügung. Dies wird bald der Fall sein.

WIEDERGUTMACHUNG
- 16 August, 2019
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- Afrika, Allgemein, Amerikanische Archäologie, Ethnologisches Museum, Fundstücke, Humboldt Forum, Südamerikansiche Ethnologie
Unter dem Titel: „Lasten der Sammelwut“ beschäftigt sich der bekannte Ethnologe und Kritiker des Humboldt Forums, Prof . Dr. Karl Heinz Kohl vom Frankfurter Frobenius Institut in einer Buchrezension der FAZ vom 26. Juli 2019 mit dem Buch des amerikanischen Wissenschaftlers H. Glenn Penny: „Im Schatten Humboldts. Eine tragische Geschichte der deutschen Ethnologie.“
H. Glenn Penny war Mitglied des Berliner Wissenschaftskolleg und hatte in dieser Zeit Gelegenheit die Diskussion um das Humboldt Forum und die Rolle der Ethnologie darin zu beobachten. Koch schreibt: “ Durch die Raubkunst- und Restitutionsdebatte der letzten Jahre sind die Völkerkundemuseen im deutschsprachigen Raum in Misskredit geraten. …….Die Vorwürfe richten sich gegen den Kern der Institution: ihre Sammlungen. Die Museen hätten sich der Kolonialregime bedient, um sich das Kulturerbe außereuropäischer Völker widerrechtlich anzueignen…. Absicht seines Buches ist es, diese und andere Behauptungen mit der historischen Realität abzugleichen. Und die sah nun tatsächlich etwas anders aus.“
In dem ausführlichen Artikel wird das Wirken der beiden Berliner Ethnologen, dem Gründer des Völkerkundemuseums Adolf Bastian und seinem engen Mitarbeiter Felix von Luschan gewürdigt und er schließt:
„Pennys Abhandlung gerät so zu einer Ehrenrettung der Leistungen der deutschen Völkerkunde, die zwar durchaus kritisch ist, aber dennoch viele historische nicht haltbare Urteile korrigiert, die in der jüngsten Debatte vorgebracht worden sind. Da sie zudem sehr lesbar geschrieben ist, bleibt nur zu hoffen, dass Pennys differenzierte Argumente auch bei jenen Kulturpolitikern Gehör finden, die sich nur an den lautstärksten Stimmen und Forderungen orientiert haben.
H. Glenn Penny – Im Schatten Humboldts – Eine tragische Geschichte der deutschen Ethnologie – C. H. Beck Verlag – München 2019 – 287 S. – Abb geb. – 26,95 €

BARIGÒN II
- 16 August, 2019
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- Allgemein, Amerikanische Archäologie, Ethnologisches Museum, Fundstücke, Humboldt Forum, Veranstaltungen
sh. dazu Beitrag: Barigón – der kleine Dicke

BARRIGÓN – DER KLEINE DICKE
- 14 August, 2019
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- Allgemein, Amerikanische Archäologie, Ethnologisches Museum, Fundstücke, Humboldt Forum, Veranstaltungen
Der folgende Text ist das Originalmanuskript der Kuratorin in der Fachabteilung Amerikanische Archälogie des Ethnologischen Museums Berlin, Dr. Maria Gaida, für einen Artikel im Tagesspiegel.
„Im Küstentiefland von Guatemala wurden Dutzende von solchen dickbäuchigen, imposanten Figuren gefunden, die eher verniedlichend „Barrigones“, der kleine Dicke genannt werden. Vor annähernd 2500 Jahren haben Steinmetze diese rätselhafte Figur aus einem gut 120 cm hohen und 800 Kilogramm schweren, vom Wasser abgeschliffenen Geröllblock geschaffen. Er wurde auf der Vorderseite mit Steinwerkzeugen bearbeitet, die Rückseite hat man – und das ist das Besondere an diesem Barrigón – als rohen Felsen belassen. Form und Größe des natürlichen Steinblocks bedingten die Größe der Figur. Der Geröllblock wurde mit den notwendigen expressiven Details so bearbeitet, dass die Transformation in eine grobe, archaische Figur erreicht wurde, die die Menschen erkennen und wertschätzen konnten.
Der unproportional große Kopf mit einem deutlich herausgearbeiteten Scheitel sitzt halslos auf dem Oberkörper auf. Die schweren Lider über den geschlossenen Augen wirken angeschwollen. Die runden Ohrpflöcke und ein Kragen aus dreieckigen Verzierungen sind der einzige Schmuck des Barrigón. An dem dicken Bauch ist der hervortretende Nabel auffällig. Die angewinkelten Arme umklammern weinen geschlechtslosen Körper.
Wer aber ist dargestellt? Wir können nur mutmaßen, welche Bedeutung solche Figuren für die Menschen im vorchristlichen Jahrtausend hatten. Nicht auszuschließen ist, dass ein lokaler Herrscher portraitiert wurde, wahrscheinlicher aber ist, dass ein verehrungswürdiges höheres Wesen dargestellt ist.
In der Forschungsliteratur wird darauf hingewiesen, dass die Gestalt gewisse Übereinstimmungen mit Darstellungen eines „fetten“ Gottes aufweist, der aus anderen Regionen Mesoamerikas bekannt ist. Der „fette“ Gott wird dort nicht nur mit einem großen, vorgewölbten Bauch mit hervorstehendem Nabel abgebildet, sondern auch mit schweren Augenlidern über geschlossenen Augen. Da diese Abbildungen aber aus späteren archäologischen Perioden stammen, sind derartige Vergleiche umstritten.
Die Küstenebene und die südlichen Abhänge der Vulkankette in Guatemala gehören zu den noch am wenigsten erforschten Regionen Mesoamerikas. Das Gebiet bot günstige geologische und klimatische Bedingungen für eine frühe Besiedlung, mit fruchtbaren Böden, Flüssen und Zugang zum Meer sowie einer reichen Flora und Fauna. Die Barrigones sind Überreste eigenständiger regionaler Entwicklungen von Häuptlingstümern in dieser Region, mit zum Teil schon komplexeren Siedlungen. Conceptión in der guatemaltektischen Provinz Escuintla, der Herkunfsort dieses Barrigóns, ist nur einer von zahlreichen Fundorten aus der späten Präklassik.
Die Barrigones in weiter entfernten Regionen, etwa in Kaminaljuyú, das heute in einem Vorort von Guatemala-Stadt liegt, in San Salvador und an der Pazifikküste des mexikanischen Bundesstaates weisen viele Übereinstimmungen in ihrer Gestaltung und Machart auf und werden daher als Hinweis für Handels- und Austauschbeziehungen interpretiert.
Der Berliner Barrigón wurde zusamen mit zwei weiteren um 1860 in der Nähe der alten Eisenbahnstation der Finca Conceptión bei Rodungen für eine Kaffeeplantage gefunden. Sie gehörte dem französischen Baron Oscar du Teil. Nach dessen Tod 1879 machte der Onkel und Sachwalter des minderjährigen Erben zwei der drei Barrigones dem Direktor des Königlichen Museums für Völkerkunde in Berlin , Adolf Bastian, zum Geschenk. Im Frühjahr 1885 schickte der Ministerresident des Deutschen Reiches, Werner von Bergen, die beiden Steinskulpturen zusammen mit Steinmonumenten (vgl. dazu den Beitrag „Cozumalhuapa Stelen revisited“) vom Fundort Cotzumalhuapa, die Bastian dort für sein Museum erworben hatte, auf den Weg nach Berlin. Im September desselben Jahres erreichte die Sendung auf dem Seeweg Hamburg, von wo sie mit der Bahn nach Berlin transportiert wurde. Erst 1970 wurde das Objekt zusammen mit dem zweiten Barrigón im Mesoamerika-Saal des Neubaus von Fritz Bornemann im damaligen Museum für Völkerkunde in Dahlem präsentiert.
Im Humboldt Forum wird diese gut 150 Jahre nach ihrer Entdeckungnoch immer rätselhafte Skulptur zusammen mit ihrem „Bruder “ und weiteren imposanten Steinskulpturen aus dem guatemalketischen Küstentiefland zu sehen sein.“
(Anm.: Die erwähnten Steinskulpturen werden in dem heute noch Schweizer Saal genannten Raum auf der zweiten Etage des Humboldt Forums aufgestellt werden, in dem auch das Kunstwerk von Frau Deball, das die Freunde des Museums gestiftet haben, eine große Stirnwand füllen wird. (vgl. dazu: Beiträge „Wandkonstruktion Codex Humboldt und Wandkonstruktion II“)

WANDKONSTRUKTION II
- 13 August, 2019
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- Allgemein, Amerikanische Archäologie, Ethnologisches Museum, Fundstücke, Humboldt Forum, Veranstaltungen
In den letzten Tagen hat eine Gruppe von Spezialisten im Schweizer Saal des Humboldt Forums eine Probeaufhängung der Keramikplatten der Künstlerin Mariana C. Deball vorgenommen. Ganz links im Bild ist Frau Bettina Probst zu sehen, die Beauftragte der Dahlemer Museen für das Humboldt Forum. Die Künstlerin ist die dritte Person von links.

PROF. DR. LARS-CHRISTIAN KOCH
In einem langen Aufsatz im Tagesspiegel vom 9. August 2019 hat Prof. Dr. Lars-Christian Koch, Direktor des Ethnologischen und des Museums für Asiatische Kunst und gleichzeitig Sammlungsdirektor im Humboldt Forum, sich mit den Aufgaben des Museums und der Zukunft in Dahlem auseinander gesetzt.
Er schreibt: „Neben der lebhaften Kontroverse um die koloniale Vergangenheit seiner Bestände sind in letzter Zeit kritische Stimmen laut geworden, die den sachgerechten Erhalt der umfangreichen Sammlungen infrage stellen. Was dabei an der aktuellen Debatte bisher bedauerlicher kaum Erwähnung gefunden hat, ist das Verhältnis zwischen Bühne (Humboldt Forum) und Basisstation (Dahlem) . Denn Sammeln, Bewahren, Forschen sind in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommene Kernaufgaben der musealen Arbeit, die die Grundlage für Ausstellungen und damit für das öffentliche Erleben der Sammlungen bilden. So soll im Westen erforscht werden, was dann in Berlins Mitte gezeigt wird.“
Weiter heißt es:“Im heutigen globalen Zeitalter ist der Wert eines ethnologischen Museums nicht hoch genug einzuschätzen. …Heute etabliert sich in vielen europäischen Museen eine Kultur der kooperativen Reinterpretation von Sammlungen mit Herkunftsländern und Urhebergesellschaften . Partnerschaftlich wird gemeinsam, oft von Brüchen und Machtgefällen gezeichnete Geschichte erforscht, um sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Die zukünftige Aufgabe Dahlems wird wie folgt charakterisiert:“ Die Erwerbungsakten des Museums werden derzeit digitalisiert und ermöglichen in naher Zukunft eine Standort unabhängige Recherche und eine Ausweitung der Provenienzforschung an den Dahlemer Beständen, die durch vier neue feste Stellen deutlich intensiviert wird und eine Grundlage für die stetig wachsende Zusammenarbeit mit den Herkunftskulturen bildet. Neben den Projekten im Bereich des sogenannten Capacity building besteht das Ziel vor allem darin, Wissen partnerschaftlich zu erarbeiten, zu nutzen und in eine gemeinsame Museumsarbeit überzuleiten. Dabei werden die Fragen des künftigen Verbleibs der Objekte eine wichtige Rolle spielen. Aber eben nicht die einzige.“

KLAUS-DIETER LEHMANN: KUNST UND KULTUREN DER WELT IN DER MITTE BERLINS
Die Entstehung völkerkundlicher Museen in: Das Humboldt Forum – Die Wiedergewinnung einer Idee, herausgegeben von Horst Bredekamp und Peter-Klaus Schuster, S. 256
„die völkerkundlichen Museen Europas werden gern als die Repräsentanten europäischer Kolonisierung und europäischer Imperialismuspolitik angesehen. Das sind sie aber nur zum Teil. Häufig entstanden sie aus ehemaligen Kuriositätenkabinetten der europäischen Fürstenhäuser. In Deutschland und insbesondere Berlin spiegeln sie zudem die akribische Sammler- und Forschertätigkeit deutscher Wissenschaftler seit der Mitte des 18. Jahrhunderts (Alexander von Humboldt war keineswegs der Erste).
Wie auch die archäologischen Museen der SMPK verdankt das Ethnologische Museum seine einmaligen Schätze jener typischen deutschen Forschertradition. Die Sammlungen spiegeln jeweils spezifische Zusammentreffen zwischen Geberkultur und Sammler- bzw. Wissenschaftsinteressen. Zu den Ergebnissen großer und kleiner Expeditionen kommen koloniale Situationen (Ausbeutung der Eroberten durch die Kolonialherren), Handelsbeziehungen, persönliche Beziehungen und andere mehr.“
Dass oben genannte Buch enthält eine fast vollständige Dokumentation der Geschichte der Entstehung des Humboldt Forums.

JAMES-SIMON-GALERIE 3
Foto: Ute Zschamt für David Chipperfield Architects (James-Simon-Galerie, Herbst 2018, kurz vor der Schlüsselübergabe)

JAMES-SIMON-GALERIE 2
Foto: BBR / SPK / Björn Schumann (Bild vom Sommer 2018)
