Das Federbild stellt die Madonna auf der Mondsichel dar. Alexander von Humboldt war so beeindruckt von der Kunstfertigkeit der Federarbeiter , dass er das Bild 1803 in Pátzcuaro kaufte. Besonders gerühmt wurde die Tatsache , dass den mexikanischen Künstlern die Nachahmung europäischer Motive nahezu mühelos geglückt war. Auffallend bei dieser extrem feinen und gut erhaltenen Arbeit sind die metallisch blau schimmernden Kolibrifedern. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wurden die komplizierteren Teile des Bildes , hier Hände und Gesicht, unter europäischem Einfluss in Öl gemalt.
Kunsthandwerk bekleidete im aztekischen Reich wichtige Positionen, da sie spezielle Prestige- und Luxusprodukte für die Eliten herstellten. Mit er Ausbreitung des aztekischen Machtbereichs stieg das Spektrum der verwendeten exotischen Federn. Am begehrtesten waren die grün schillernden Schwanzfedern des Quetzal-Vogels. Die vorspanische Tradition des Federhandwerks wurde auch nach der Eroberung weitergeführt. Pátzcuaro entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einem Zentrum für Kunsthandwerk, speziell für Gold- und Federarbeiten.
Quelle: Prestel Museumsführer, Ethnologisches Museum Berlin, 2003, S. 43 – 44
Auch in der Humboldt Forum Zeitung vom März 2019, No. 4, S. 5 ist eine ganzseitige Abbildung der Madonna zu finden. Hartmut Dorgerloh schreibt dazu: „Als Messengers – Boten zeugen die 15 Highlights des Humboldt Forums exemplarisch von den Lebenswelten und Ideen, von dem menschlichen Miteinander, den Weltverständnissen und den Praktiken, die sie hervorgebracht haben. Sie präsentieren die thematische Vielfalt der Sammlungen, von Geschichte bis zu Kunst und Kultur.“
Die Autorin des Artikels im Tagesspiegel, Frau Dr. Maria Gaida, Kuratorin der Abteilung Archäologie Mesoamerikas und bis vor Kurzem auch noch stellv. Direktorin des Ethnologischen Museums, hat ihren Text der Redaktion der Website zur Verfügung gestellt.
Das Marienbild, das Alexander von Humboldt sammelte
„In den Jahren 1803/04 bereiste Alexander von Humboldt Mexiko. Von dort brachte er das Federmosaik Nuestra Senora de la Salud de Pátzcuaro mit nach Europa. Er selbst bezeichnete das Bild aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert als „Federgemälde“. Es ist eine Darstellung der Gottesmutter mit Attributen der Unbefleckten Empfängnis: eine gekrönte Madonna, ohne Kind, auf einer Mondsichel stehend.
Die schon vor der Eroberung 1521 privilegierte Stellung der sehr angesehenen Federhandwerker, aztekisch amanteca genannt, wurde in einem Erlass des spanischen Vizekönigs Salinas im Jahre 1610 bestätigt. Die äußerst filigranen Kunstwerke, bunte Kronen, Mäntel, Schilde, Schmuck und Mosaike, aus farbenprächtigen Federn gefertigt waren hoch geschätzte Prestige- und Luxusgüter der aztekischen Adelsschicht. Auch in der Kolonialzeit wurde die Kunstfertigkeit der Federhandwerker weiterhin gefördert und bewundert. Nun entstanden Federkunstwerke zwar in vorspanischer Technik, aber mit christlicher Ikonographie und Funktion wie Bischofsmützen, Altardecken, Kreuze und Heiligenbildnisse.
Das Marienbildnis ist einer Skulptur in der Basilica de Nuestra Senora de la Salud in Pátzcuaro, einer Kleinstadt im mexikanischen Bundesstaat Michoacan, nachempfunden, wo sie seit dem 16. Jahrhundert verehrt wird. Sie wurde von Papst Julius III (1550 – 1555) zur Schutzpatronin der Hospitale ernannt. Der preußische König (Friedrich Wilhelm IV. 1795 – 1861) scheint einen solchen Gefallen an dem Federmosaik gefunden zu haben, dass er beinahe 40 Jahre, nachdem Humboldt seine Madonna nach Berlin gebracht hatte, diesem gegenüber den Wunsch nach einem weiteren „Marienbild mit Kolibrifedern“ äußerte.
Im aztekischen Kernland, dem Hochtal von Mexico, lebten allerdings auch in vorspanischer Zeit keine Vögel mit leuchtend buntem Gefieder, wie es etwa Kolibris oder Papageien besitzen. Die Federn mussten daher von den weit entfernten tropischen Regenwäldern eingehandelt werden oder waren von unterworfenen Gemeinden als Tribut an den aztekischen Hof zu entrichten.
Die beachtliche Mengen der eingetriebenen Federn sind in den Tributlisten einer aztekischen -kolonialzeitlichen Bilderhandschrift dokumentiert. So hatten beispielsweise acht Gemeinden einer Tieflandregion mit großem, begehrtem Vogelbestand jährlich 400 Büschel kostbarer blauer und türkisfarbener Federn, je 800 Büschel roter, grüner, gelber und langer grüner Federn sowie 160 Vogelbälge mit Federn in türkiser und violetter Brust in die aztekische Hauptstadt Tenochtitlan zu liefern (Codex Mendoza, Folio 47r).
Für die Federmadonna hat der heute unbekannte Künstler mindestens zwölf verschiedene Federarten ausgewählt. Die Federexperten aus dem Naturkundemuseum Berlin konnten Federn der Langschwanzwachtel, der nordamerikanischen Krickente, der Silberente und verschiedener Kolibriarten identifizieren.
Die Werkzeuge, die für Federmosaike zur Verfügung standen, waren denkbar einfach und bescheiden. Der spanische Chronist Bernadino de Sahagún führt Mitte des 16. Jahrhunderts an:“ein kupfernes Skalpell, ein Kupfermesser zum Schneiden der federn, ein Knochenfalzbein zum Befestigen der Federn, ein Brett als Schneideunterlage, ein weiteres Brettchen zum Niederhalten beim Federschneiden.“ Tausende winzige Federteilchen wurden auf ein Kupferblech einzeln aufgeklebt und ergeben so das farbenprächtige Gesamtbild.
Im Humboldt Forum wird die Madonna auf der Mondsichel in der Mesoamerika Austellung einen prominenten Platz erhalten: Neben der Skulptur einer aztekischen Maisgöttin und eines aztekischen Feuergottes ist sie dort das dritte Objekt, das Alexander von Humboldt gesammelt hatte.
Das präzise komponierte Federmosaik hält aber für den in Andacht verweilenden Betrachter noch eine faszinierende Überraschung, ja eine kleine Sensation, bereit: Aus einem bestimmten Blickwinkel oder bei einem gewissen Lichteinfall beginnen im Hintergrund der Madonna die Brustfedern des Kolibris plötzlich metallisch-blau aufzuleuchten und zu schillern. Verändert der Betrachter die Perspektive, ist der beeindruckende Effekt wieder verflogen.